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Wuppertal goes Europe

Auszubildende und Ausbilder*innen berichten aus dem Praktikum

Luise Mertin, Sachbearbeiterin im Ordnungsamt (Allgemeine Gefahrenabwehr) und Ausbilderin war vom 06.09. bis 17.09.2021 in Klagenfurt am Wörthersee.

Klagenfurter Rathaus und Lindwurmbrunnen bei Nacht

Klagenfurt am Wörthersee - Ein Praktikum mit Filmkulisse

Nachdem die erste Planung für mein EU-Praktikum in Klagenfurt für Januar 2021 coronabedingt abgesagt werden musste, führte der Weg nun neun Monate später in die wunderschön gelegene Stadt am Wörthersee.

Meine Unterkunft habe ich im Voraus im Internet gebucht, ein nettes kleines Appartement, das fußläufig nur ca. 5 Minuten vom Klagenfurter Rathaus entfernt und inmitten des Zentrums lag. Nach einer knapp 10-stündigen Autofahrt stieg schon bei der ersten Erkundungstour in der Innenstadt beim Anblick des beleuchteten Rathauses und Vorplatzes die Vorfreude auf die bevorstehenden zwei Arbeitswochen. 

Während meines Aufenthalts habe ich drei verschiedene Bereiche kennengelernt: das Bürgerservicebüro, das Fundamt und das Klagenfurter Ordnungsamt.

Das Bürgerservicebüro im Rathaus

Meine erste Station waren die beiden Bürgerservicebüros, in denen ich sehr herzlich empfangen wurde und jeweils zwei Tage verbracht habe. Das Bürgerservicebüro im Rathaus ist für die Einwohner*innen die erste Anlaufstelle für alle Belange. Ich hatte u.a. die Aufgabe, Anträge an die entsprechenden Stellen weiterzuleiten und konnte mir dadurch schon zu Beginn einen guten Überblick über den Aufbau und die Strukturen der Stadtverwaltung verschaffen. 

Ich wurde direkt in die vielfältige Arbeit eingebunden und schon nach kurzer Zeit „auf die Bürgerinnen und Bürger losgelassen“. Neben der Amtshilfe reicht das Aufgabengebiet von der An- und Abmeldung eines Hundes, einer Lebensbestätigung für im Ausland tätige Personen (eine Bestätigung für die Rentenversicherung) bis hin zur Erstellung einer Handysignatur, mit der alle persönlichen Interaktionen auch online abgeschlossen werden können.

Arbeitsplatz im Bürgerservicebüro

Das Bürgerservicebüro am Domplatz

Das zweite Bürgerservicebüro kümmert sich um die Bereiche Baurecht & Gewerberecht. Dort werden Hilfestellungen zur Beantragung von Bauvorhaben gegeben und Anträge an das Bauamt weitergeleitet. Außerdem können hier Anrainer von Bauvorhaben Einsicht in Bauakten erhalten.

Die Coronapandemie hat auch die Arbeit im Bürgerservicebüro verändert. Ähnlich wie hier, wurde eine Corona Hotline für nichtmedizinische Fragen eingerichtet. Diese haben die Kolleg*innen des Bürgerservicebüros bedient und Fragen rund um Teststationen, dem digitalen Impfpass – in Österreich „grüner Pass“ genannt – und zu weiteren Themen beantwortet. Während die Mitarbeiter*innen aller Magistrate zu Beginn der Pandemie im Home-Office arbeiteten, blieben die Mitarbeiter*innen des Bürgerservicebüros vor Ort, als Ansprechpartner für alle Belange.

Das, was das Wuppertaler Gesundheitsamt und das ServiceCenter stemmen, wird in Klagenfurt von insgesamt drei Mitarbeiter*innen (bei knapp 100.000 Einwohner*innen!) zusätzlich zu den eigentlichen Aufgaben bestmöglich bewältigt. Eine sehr große Herausforderung.

Dank der Handysignatur können sowohl Behördengänge, Einreichungen beim Finanzamt und der Gesundheitskasse, Abrufen der Gehaltsabrechnungen von Mitarbeiter*innen zahlreicher Arbeitgeber und vieles mehr ganz einfach mit Hilfe des Handys gesteuert werden. Das erspart den Bürger*innen viel Zeit und reduziert die Anzahl der Sprechstunden in den Behörden. 

Auf den Portalen der jeweiligen Dienstleistungsanbieter (z.B. die Internetseite des Finanzamtes) muss nur die eigene Handynummer und ein selbst erstelltes Passwort angegeben werden. Danach bekommt man eine TAN per SMS geschickt, einem sogenannten Vergleichswert, der auf der Internetseite eingetragen wird. Durch dieses Verfahren wird ein hoher Sicherheitsstandard garantiert. 

Für die Stadtverwaltung gibt es die „Digitales Amt“ App. Sobald diese installiert ist, wird die Unterschrift mittels Fingerabdruck oder Gesichtserkennung geleistet. Auf diese Weise kann man beispielsweise eine Adressänderung beim Passamt beantragen. Außerdem werden so Gebühren gespart, die bei persönlichen Sprechstunden in Form von Antrags- oder Beilagengebühren nach dem Gebührengesetz anfallen würden.

Das Fundamt

Zum Abschluss der ersten Woche habe ich einen Tag im Fundamt hospitiert. 

Schon beim Betreten des Fundamts ist mir ein Unterschied zu unserem hiesigen Fundamt aufgefallen: Es gibt einen integrierten Verkaufsraum, in dem verloren gegangene Sachen für wenig Geld von jedermann erworben werden können. Dabei ist natürlich zunächst eine gesetzliche Aufbewahrungsfrist von einem Jahr einzuhalten. Nach Ablauf des Jahres kann der Finder Anspruch auf den Gegenstand erheben. Tut er das nicht, wird der Gegenstand in den Verkauf gegeben bzw. versteigert.

Es gibt für ganz Österreich ein Internetportal, in dem alle Verlust- und Fundmeldungen von den jeweiligen Fundämtern eingetragen werden.

Arbeitsplatz und Verkaufsraum des Fundamts

Jeder, der etwas verloren hat, kann nach Eingabe gewisser Suchkriterien online schauen, ob der eigene Verlust abgegeben wurde und wenn ja, in welcher Stadt. Ich persönlich finde diese Plattform sehr nützlich und absolut zeitersparend, sowohl für die Bürger*innen als auch die Mitarbeiter*innen der jeweiligen Fundämter. Solch eine städteübergreifende Homepage wäre vielleicht auch für das Bergische Städtedreieck denkbar.


Ordnungsamt

Die zweite Woche habe ich im Ordnungsamt verbracht. Dort stellte sich schnell heraus, dass der Aufbau und die Aufgaben nicht annähernd so weitreichend sind wie bei uns. Das liegt in erster Linie daran, dass die Organisation der Ordnungsämter Ländersache ist und Kärnten im direkten Vergleich z.B. mit Wien andere Befugnisse und Aufgaben hat. 

Das Klagenfurter Ordnungsamt gibt es erst seit dem Jahr 2013, dennoch war es eines der ersten Ordnungsämter Österreichs und hat Aufgaben der (Finanz-)Polizei und Verkehrswacht übernommen. Mit aktuell 12 Mitarbeitern und einer Mitarbeiterin überwacht das Ordnungsamt den ruhenden Verkehr, informiert und klärt Bürger*innen auf, kümmert sich um Geldtransporte der einzelnen Ämter zur Stadtkasse und stellt Strafanträge bei Verstößen gegen die Stadtverordnungen aus. Diese Strafanträge werden dann an die Fachabteilungen, wie z.B. dem Straßenverkehrsamt oder dem Bauamt zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet. Coronabedingt sind weitere Aufgaben hinzugekommen: Es werden Quarantänebriefe persönlich zugestellt und 3G Kontrollen am Klagenfurter Flughafen bei ankommenden Linien- und Privatflügen durchgeführt.

mit zwei Kollegen des Ordnungsamtes vor dem Einsatzfahrzeug

Im Gespräch mit den Kolleg*innen wurde deutlich, dass diese gerne weitreichendere Befugnisse und Aufgaben hätten, was aber nicht zuletzt an der vom Land vorgesehenen Mitarbeiterkapazität scheitert. Die Mitarbeiter*innen sind – anders als bei uns – nicht direkt bei der Stadtverwaltung angestellt, sondern private Angestellte einer GmbH, die als „Leasingmitarbeiter*innen“ im Ordnungsamt hoheitliche Tätigkeiten wahrnehmen. 

Auch das Thema Ausbildung unterstand beim Ordnungsamt einem großen Wandel. Einige der Kolleg*innen absolvierten damals eine dreijährige schulische Ausbildung, die u.a. die Ausbildung zum Rettungsschwimmer und diverse Rechtsfächer beinhaltet hat. Heute bildet die Stadtverwaltung keine Mitarbeiter*innen mehr für das Ordnungsamt aus.

Die derzeitige Nachwuchskraft im Ordnungsamt erklärte mir, dass die aktuelle Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen überwiegend durch die Vermittlung von Kenntnissen während der täglichen Arbeit und dem intensiven Austausch mit Kolleg*innen stattfindet.

eines der sechs E-Mountainbikes des Klagenfurter Ordnungsamtes

Neben zwei Dienstfahrzeugen verfügt das Ordnungsamt über sechs E-Mountainbikes, mit denen Streife gefahren wird. Diese Möglichkeit wird von den Mitarbeitenden sehr gerne in Anspruch genommen und als großer Zugewinn für die tägliche Arbeit empfunden.


Verkehrswende in Klagenfurt am Wörthersee

Meine Freizeit habe ich dazu genutzt, Klagenfurt und Umgebung zu erkunden. Der von der Stadt erstellte „Aktionsplan Mobilität“ ermöglicht es, flexibel und kostengünstig von einem Punkt zum anderen zu kommen. Neben zahlreichen E-Scootern, die über das ganze Stadtgebiet verteilt sind, gibt es im Raum Klagenfurt und Umgebung sogenannte nextbikes. Das sind Fahrräder, die an nahezu 50 Stationen in Klagenfurt und den umliegenden Gemeinden ganz einfach per App ausgeliehen werden können. Durch ein sehr gut ausgebautes Radwegenetz ist das Radeln in Klagenfurt am Wörthersee eine gern angenommene Alternative zum Auto.

Der „Aktionsplan Mobilität“ enthält mittelfristige Maßnahmen bis ins Jahr 2030 und langfristige Maßnahmen bis ins Jahr 2050. Neben dem Ausbau der Radwegenetze und des Ausleihangebots für Fahrräder und E-Scooter soll auch die Attraktivität des ÖPNV gesteigert werden. 

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde u.a. vom Mobilitätsreferat des Landes Kärnten und dem Verkehrsbund Kärnten die Initiative „Bist du bereit umzusteigen?“ gestartet, bei welcher der ÖPNV in ganz Kärnten eine Woche lang kostenfrei genutzt werden konnte.

Aussichtsplattform und Pyramidenkegel

Klagenfurt und seine Umgebung

Klagenfurt und seine Umgebung ist auf alle Fälle eine Reise wert. Dank hochsommerlicher Temperaturen war ein Besuch im Strandbad am Wörthersee nach Feierabend keine Seltenheit, aber auch ein Blick von dem höchsten Holzaussichtsturm der Welt ist sehr empfehlenswert, dem Pyramidenkogel.

 

Wasserfall in der Vintgar Schlucht

Dank des Praktikumsberichtes von Robin Wittwer, der im vergangenen Jahr im nahegelegenen Villach war, habe ich es mir nicht nehmen lassen, einen Ausflug nach Slowenien zu machen. Dabei darf ein Spaziergang am Bleder See nicht fehlen, mein persönliches Highlight war aber die Wanderung durch die Vintgar-Klamm. 

 

Ausblick vom Hochobir

Und wenn man schon von Bergen umgeben ist, muss man natürlich auch mindestens einen davon besteigen. Ich habe mich für den Hochobir entschieden, der auf knapp 2500 Metern einen wundervollen Ausblick bietet und die Anstrengung wert ist.

Fazit - das EU-Praktikum ist eine absolute Bereicherung

Nach 2 Wochen Praktikum kann ich festhalten, dass ein Einblick in eine andere europäische Stadtverwaltung nicht nur für den Arbeitsalltag gewinnbringend ist, sondern auch eine wertvolle persönliche Erfahrung bietet. Es ist nicht nur interessant, die Unterschiede und Übereinstimmungen der Arbeitsweise und -organisation kennenzulernen, sondern auch die Mentalität der Menschen. 

So wird in Klagenfurt vieles entspannter angegangen, das Motto lautet „passt scho‘!“ – vielleicht hat mir dies auch den sehr flexiblen Start ins Praktikum beschert. Mein Praktikumsprogramm war zwar thematisch vorstrukturiert, aber meinen tatsächlichen Einsatz habe ich mit den sehr hilfsbereiten Kollegen*innen vor Ort geplant. 

Eine Erfahrung, die ich noch nachdrücklicher in meine Ausbilderin-Praxis integrieren werde: Ziele, Themen und Tätigkeiten des Praxisabschnitts im Ordnungsamt intensiver mit der/dem Auszubildenden mit Blick auf die Notwendigkeiten, Bedürfnisse und Wünsche abstimmen.

Der direkte Austausch mit dem Ordnungsamt hat einen Zugewinn für beide Seiten gebracht: Die Klagenfurter Kolleg*innen wollen nun einen neuen Versuch starten, Personal und Aufgabenbereiche aufzustocken. Der Einsatz von E-Mountainbikes ist wiederum eine tolle Anregung für unsere Kolleg*innen der Auto- und Fußstreife.

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