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Wuppertal goes Europe

Auszubildende und Ausbilder*innen berichten aus dem Praktikum

Frank Ziran in Liegnitz

Herr Ziran ist Ausbilder, Ausbildungsbeauftragter und Teamleiter im Bereich Finanzcontrolling_Bilanzen.
Vom 25. Oktober - 05. November 2021 absolvierte er ein Praktikum in Liegnitz. 

Der erste "Praktikant" in unserer Partnerstadt Liegnitz

Mein Praktikum in Polen wurde nicht nur von der EUROPA Förderung perfekt vorbereitet und begleitet, auch meine Gastgeber aus Liegnitz gestalteten mir den Aufenthalt so angenehm wie möglich.

So war es für meine liebenswerte und sehr hilfsbereite Ansprechpartnerin, Agnieszka Łakomska, selbstverständlich, für mich ein Hotelzimmer in einer hübschen, als Hotel umgebauten Gründerzeitvilla zu reservieren. Agnieszka Łakomska arbeitet im Büro des Stadtpräsidenten/Oberbürgermeister (Herr Tadeusz Krzakowski) und da sie ausgezeichnet deutsch spricht, unterstützte sie mich auf Wunsch des Stadtpräsidenten während meines gesamten Aufenthaltes. Eines vorweg:

Die Herzlichkeit und die Freundlichkeit, die ich bei all meinen polnischen Kollegen*innen erfahre, angefangen beim Pförtner bis hin zum Stadtpräsidenten, gab mir vom ersten Tag an ein besonderes Gefühl der Verbundenheit.

Rathaus

Begrüßung in der Verwaltung

Mein erster Arbeitstag begann mit einer kurzen Begrüßung beim Stadtpräsidenten.

Anschließend lernte ich seine/n Vertreterin bzw. Vertreter kennen, bevor ich der überraschenden Einladung des Stadtpräsidenten zur Ratssitzung mit Freude folge. Dort wurde ich dem Stadtrat - 22 Ratsmitglieder - vorgestellt und dort wurde die Bedeutung der Städtepartnerschaft mit Wuppertal und des Erasmus-Projektes hervorgehoben.

Damit habe ich nicht gerechnet und mir wird bewusst, wie wichtig für Liegnitz die Partnerschaft mit Wuppertal ist und welche Wertschätzung Wuppertal hier genießt.

Auch verfestigte sich mir in den vielen folgenden Gesprächen der Eindruck, dass großes Interesse im Hinblick auf einen Fach- und Erfahrungsaustausch in den vielen Aufgabenbereichen der Verwaltung besteht.

Der Stadtpräsident betonte, dass für ihn die Themen Umweltschutz, Digitalisierung sowie die Personalentwicklung und -ausbildung bedeutsam seien. Ein Austausch der Verwaltungen beider Städte kann er sich für die Zukunft sehr gut vorstellen und möchte die Zusammenarbeit nach Kräften unterstützen.

v.l. Artur Ankiewicz, Agnieszka Łakomska, Frank Ziran

Im Büro des Stadtpräsidenten

Ab dem 2. Tag lernte ich verschiedene Bereiche der Stadtverwaltung kennen.

Es begrüßt mich der Büroleiter des Stadtpräsidenten, Artur Ankiewicz. Herr Ankiewicz kann auf eine interessante Biographie zurückblicken, die mich fasziniert.

Früher war er als Assistent des damaligen polnischen Präsidentschaftskandidaten Szmajdzinski (der vor 10 Jahren zu den Opfern des Flugzeugabsturzes mit insgesamt 92 Opfern in Smolensk gehörte) tätig, es folgt eine Selbständigkeit im Chemiehandel, dann eine Anstellung als Lehrer für Sozialkunde, Geschichte und Erdkunde und seit 2007 leitet er das Büro des heutigen Stadtpräsidenten in Liegnitz mit weitreichenden Kompetenzen.

Nebenbei ging Artur Ankiewicz seiner Leidenschaft nach und bereiste 80 Länder.

Zurück zur Arbeit.

Zu seinen Kompetenzbereichen gehören auch die Sekretariate der drei Stellvertreter des Stadtpräsidenten, die Terminübersichten aller Stadtpräsidenten sowie alle Angelegenheiten mit dem Ausland (dazu zählen neben den Städtepartnerschaften auch die Kontakte zur Europäischen Union).

Stadtpräsident Tadeusz Krzakowski in der Ratssitzung am 25.10.2021

Die persönliche Haftung des Stadtpräsidenten

Artur Ankiewicz erklärt mir die Aufgaben des Stadtpräsidenten Tadeusz Krzakowski, die denen des Oberbürgermeisters weitgehend entsprechen.

Wie in Deutschland wird der Stadtpräsident unmittelbar gewählt; seit 2002 ist Tadeusz Krzakowski durchgehend Stadtpräsident.

Neben den ureigenen Aufgaben des Stadtpräsidenten wie beispielsweise die des ersten Hauptverwaltungsbeamten, des obersten Repräsentanten seiner Stadt nach außen und seine Mitgliedschaft in unzähligen polnischen örtlichen und überörtlichen Institutionen und Regierungsstellen, hat ein Umstand mein ganz besonderes Interesse geweckt:

Die persönliche Haftung eines Stadtpräsidenten im Amt!

Tadeusz Krzakowski bestätigt mir, dass die persönliche Haftung eines Stadtpräsidenten in der polnischen Verfassung nicht nur sozusagen "pro forma" verankert sei, sondern dass es tatsächlich in einigen Fällen zu entsprechenden Verfahren gegen amtierende Stadtpräsidenten kam.

v.l. Agnieszka Łakomska, Frank Ziran, Dr. hab. Marvin Liberacki

Austausch in der Fachhochschule und eines Gymnasiums in Liegnitz

Die Witelon-Staatliche Fachhochschule in Legnica

Noch am ersten Arbeitstag folgte ich nach der Sitzung des Stadtrates einer Einladung des Dekans der Witelon-Staatlichen Fachhochschule Legnica, Hr. Dr. hab. Marvin Liberacki und seiner Stellvertreterin Dr. Malgorzata Buchla.

Nach meinem rund 2-stündigen Vortrag folgte eine intensive Diskussion mit einigen Student*innen und mir wurde erneut bewusst, wie groß das Interesse an den Inhalten der Ausbildung für die unterschiedlichen Laufbahngruppen in der kommunalen Verwaltung ist.

Im Vorfeld meines Praktikums in Liegnitz hatte mich der Dekan gebeten, im Rahmen einer Vorlesung den Studierenden des Fachbereichs "Öffentliche Verwaltung" unter anderem das deutsche Ausbildungssystem mit Schwerpunkt öffentliche Verwaltung nahezubringen.

Aber auch das Thema kommunales Finanzwesen wird mit Spannung verfolgt. Am Ende meines Vortrages bedankte sich der Dekan mit einer Urkunde und kleinen Präsenten. Nach meinem Vortrag nutze ich die Gelegenheit und tauschte mich mit weiteren Fachdozenten, die als Gasthörer ebenfalls die Veranstaltung besuchten, über die Inhalte meines Referates aus.

Nach meiner Rückkehr nach Wuppertal bat mich Dr. Liberacki telefonisch erneut um eine Vorlesung zu den genannten Themenschwerpunkt.

Die Fachhochschule in Liegnitz ist die größte Fachhochschule ihrer Art in Polen und bildet neben Verwaltungsmitarbeiter*innen auch Polizeibeamt*innen und Beamt*innen für andere staatliche Einrichtungen wie den Grenzschutz aus. Die geplante Online-Vorlesung im Dezember richtet sich dann an junge polnische Polizeianwärter*innen.

Meinen Vorschlag, zukünftig mit dem Bergischen Studieninstitut ein gemeinsames Forum mit dem Schwerpunkt Aus- und Weiterbildung zu gründen, nahm Dr. Liberacki mit großem Interesse dankend auf und kündigt an, diese Idee mit den betreffenden Fachbereichen zu besprechen. Da mich das Bergische Studieninstitut und unsere Ausbildungsabteilung bereits vor meinem Praktikum mit entsprechenden Informationen für meinen Vortrag unterstützte und auch ihrerseits Interesse an einem fachlichen Austausch signalisierten, bin ich sehr optimistisch, dass der Aufbau eines Bildungs- und Ausbildungsnetzwerk realisiert werden kann.

Hospitation im Gymnasium Liegnitz

Die Allgemeinbildende Oberschule Liegnitz

Im Eingangsbereich hängen unzählige Urkunden und Auszeichnungen und belegen den Lernerfolg dieser Schule in vielen nationalen "Wissens-Olympiaden".

Im 2. Obergeschoss erreichen wir, ziemlich versteckt und nur durch einen Seitengang erreichbar, die traditionelle "Asservatenkammer". In diesem Raum wird die langjährige Geschichte dieses Gymnasiums lebendig. Vom Tintenfass aus dem Jahr 1946 über Schuluniformen aus den 1950er Jahren bis hin zur Ahnentafel aller Schulleiter. Die Ahnentafel ist aus dem Grunde besonders interessant, da sie mit Frau Tamiola die erste Schulleiterin dieses Gymnasiums dokumentiert; in dieser Funktion arbeitet sie dort seit 16 Jahren.

v.l. Agnieszka Łakomska, Halina Tamiola, Frank Ziran, Elisabeth

Im Keller-Kiosk angekommen begrüßt uns Elisabeth, ihres Zeichens Haushaltshilfe und Kioskbetreiberin. Während Elisabeth ihre "Chefin" in die Arme schließt versichert sie mir mit Nachdruck, dass Halina die gute Seele des Gymnasiums sei.

Das anschließende Foto ist Pflicht!

Am Ende meines Besuches vertraut mir die Direktorin an, dass sie in ihrem beruflichen Leben noch ein großes Ziel verfolgt, sozusagen ihr Herzensanliegen.

Eine Schulpartnerschaft mit einem deutschen Gymnasium, am liebsten natürlich einem Wuppertaler Gymnasium.

Mit Blick auf die Vergangenheit beider Länder sei es besonders wichtig, dass sich junge Menschen "begegnen", sich austauschen, Freundschaften schließen und mögliche Vorbehalte abbauen. Und was sei hierfür besser geeignet als eine lebendige Schulpartnerschaft. Ich habe Frau Tamiola versprochen, ihrem Wunsch nachzugehen. Zwischenzeitlich erhielt ich vom St. Anna Gymnasium, vermittelt durch Carmen Schmidt, die dort Schülerin war, eine positive Antwort.

Arbeitsschutz und der Umgang mit der Pandemie

Bevor man in der Liegnitzer Stadtverwaltung arbeiten darf, erfolgt eine umfangreiche Einweisung durch den Arbeitsschutz. Diese gilt nicht nur für neue Mitarbeitende, sondern auch für mich; unabhängig davon, ob ich zwei Tage dort arbeite oder zeitlich unbefristet.

Beata Januszkiewicz führte die theoretische Einführung durch. Ungewöhnlich für mich ist, dass mögliche Gefahrenpotenziale auch durch Mitarbeitende identifiziert werden sollen, um dann entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung von Verletzungen oder Unfällen einzuleiten. Das fängt beim Schreibtisch an, geht über den Bürostuhl, über scharfe Gegenstände wie Messer oder Brieföffner bis hin zu Elektrogeräten; es werden aber auch mögliche psychische Belastungsmomente erfasst (z.B. für Außendienstmitarbeitende in der Vollstreckung).

Nach erfolgter Theorie beginnt der praktische Teil. Ich nehme auf dem Bürostuhl Platz und da ich festen Halt finde und nicht vom Bürostuhl falle, habe ich die praktische Tauglichkeit unter Beweis gestellt!

Nicht alles wird "bierernst" umgesetzt;

Humor ausdrücklich erwünscht!

Besuch bei der Personaldirektorin - v.l. Miroslawa Myrna-Kudryk, Frank Ziran, Agnieszka Łakomska)

Das Thema Corona beschäftigt auch die Stadt Liegnitz seit zwei Jahren.

Mir fällt vom ersten Tag an auf, dass die Menschen sehr diszipliniert sind. Hände desinfizieren (auch am Kiosk), konsequent Abstand halten, grundsätzlich nur ein/e Kund*in in kleineren Geschäften usw. Zu Beginn der Pandemie gab es auch hier viele Unsicherheiten, erklärt mir die Personal-Direktorin Miroslawa Myrna-Kudryk. Der Föderalismus nach deutschem Vorbild existiert in Polen nicht.

Die Personaldirektorin Miroslawa Myrna-Kudryk erläutere die einheitlichen Pandemie-Vorschriften und ist nicht zu Unrecht stolz darauf, dass die Stadt Liegnitz maßgebend an den für Polen geltenden einheitlichen Vorschriften über den Umgang mit der Pandemie beteiligt war. Denn zu Beginn der Pandemie hatte das Gesundheitsministerium in noch keine Vorschriften erlassen.

Nach Ausbruch der Pandemie beschloss die Stadt Liegnitz im März 2020, keine Dienstreisen und keine Schulungen mehr zu genehmigen und externe Einstellungen zurückzustellen; dienstliche Treffen wurden ebenso untersagt wie der Zugang für Bürger*innen ins Rathaus. Anträge oder andere Anliegen konnten von Bürger*innen nur noch telefonisch oder per E-Mail erledigt werden. Bürger*innen, die keine technischen Möglichkeiten hierzu hatten, legten ihre Anträge am Rathaus-Eingang in einen Postkorb ab.

Inzwischen wurde im Erdgeschoss eine Beratungsstelle hinter einer Plexiglasscheibe sowie eine Barkasse für Einzahlungen eingerichtet. Ein- und Ausgänge sind auch weiterhin - wie in Wuppertal - getrennt.

Und besonders interessant:

Bei allen Entscheidungen im Zusammenhang mit Covid19 spielte die Inzidenz seit Beginn der Pandemie übrigens keine Rolle!

m Rathaus wurden zu Beginn der Pandemie nur wenige Arbeitsplätze von Mitarbeitenden "besetzt", die zwingend ihren Dienst im Rathaus versehen mussten. Alle weiteren Beschäftigten wurden aufgefordert, "im Home-Office" zu arbeiten.

Da jedoch zu Beginn der Pandemie entsprechende Hard- und Software in ausreichendem Maße nicht verfügbar war, arbeiteten die Mitarbeitenden zunächst an ihren privaten Rechnern - ohne Aufwandsentschädigungen.

Um arbeitsrechtlich Home-Office überhaupt zu ermöglichen, wurden im Rahmen der arbeitsrechtlichen Regelungen Zusatzverträge mit jedem einzelnen Mitarbeitenden geschlossen; insgesamt rd. 600. Die strengen Arbeitsschutzvorschriften galten z.B. nun auch zu Hause, d.h. Verletzungen, die sich Mitarbeitende im Home-Office zuzogen, wurden als Arbeitsunfall gewertet.

Während der täglichen Arbeitszeit (7.30 Uhr - 15.30 Uhr) im Home-Office fertigten die Mitarbeitenden entsprechende Arbeitsprotokolle an, um ihr Arbeitsergebnis zu dokumentieren.

Die zu bearbeitenden Akten wurden tags zuvor mit nach Hause genommen. Eine dienstliche Telefonnummer konnte jedoch nicht eingerichtet werden, da die Technikausstattung nicht vorhanden war. Stattdessen wurde die telefonische Erreichbarkeit (übrigens nur für den unmittelbaren Vorgesetzten) über das Privattelefon sichergestellt. Eine eigens für diese Zwecke eingerichtete E-Mail-Funktionsadresse ermöglichte es den Beschäftigten, Krankmeldungen anzuzeigen und Freizeitausgleich bzw. Urlaub zu beantragen.

Anzumerken ist, dass Home-Office in Liegnitz vor der Pandemie nur für ältere und/oder kranke Mitarbeitende möglich war, das heißt, die Stadt Liegnitz war gezwungen, zügig eine (Übergangs-)Lösung zu finden.

Ein Zugang vom privaten Rechner zum Intranet war während der Pandemie weder möglich noch erwünscht. Seit Anfang dieses Jahres arbeiten alle Kollegen*innen wieder im Rathaus.

Hygienekonzept: Zu Beginn der Pandemie wurde täglich 2x Fieber gemessen (nicht durch Mitarbeitende selbst!). Inzwischen werden beim Betreten des Rathauses hierfür professionelle Messgeräte eingesetzt. Schutzmasken, Desinfektionsmittel, Corona-Test-Sets und Einmalhandschuhe werden vom Arbeitgeber gestellt.

Bei Auftreten eines Corona-Verdachtsfalls wird grundsätzlich umgehend das Büro des betroffenen Mitarbeitenden vollständig gereinigt und desinfiziert; sogar die Unterlagen werden mit Ozon gereinigt und für mindestens 12 Stunden nicht mehr verwendet. Diese Vorsichtsmaßnahmen werden umgehend eingeleitet, ohne zu wissen, ob überhaupt ein Infektionsgeschehen vorliegt. Zum Hygienekonzept gehört ebenfalls das tägliche Reinigen jeder Türklinke im Gebäude durch Reinigungskräfte.

Interessant war für mich zu erfahren, dass Mitarbeiter*innen, die ihren Urlaub in einer der durch Corona rot gekennzeichneten Zone (In- und Ausland) verbrachten, einen entsprechenden PCR-Test auf eigene Kosten durchführen müssen, um den negativen Befund und damit die Unbedenklichkeit zu belegen.

Ausbildung in der Stadtverwaltung

Ein duales Ausbildungssystem existiert in Polen nicht. Schulische Voraussetzung für eine Stelle als Sachbearbeiter*in - vergleichbar mit dem mittleren Dienst - ist der Schulabschluss der Mittelschule (vergleichbar Fachoberschulreife).

Praktische Voraussetzung ist eine 5-jährige berufliche Erfahrung in einer berufsähnlichen Funktion. Ein Auswahlverfahren entscheidet anschließend über den/die Bewerber*in, der/die dann zunächst einen auf 6 Monate befristeten Arbeitsvertrag erhält.

Nach Abschluss der Einarbeitungszeit folgt eine Prüfung mittels eines Fragebogens mit 10 Themenfeldern, die sich auf die Grundlagen des Verwaltungshandelns und das konkrete Aufgabenfeld beziehen. Nach bestandener Prüfung erfolgt entweder eine weitere Bewährungsfrist von 6 Monaten oder die unbefristete Übernahme in das Arbeitsverhältnis. Jurist*innen, Ingenieur*innen und Ökonom*innen werden entsprechend der konkreten Aufgabe mit Fachhochschul- bzw. Hochschulabsolvent*innen besetzt, ähnlich des gehobenen und höheren Dienstes in Deutschland.

Auf meine Bitte hin wird mir die Kollegin der Personalabteilung noch einen "Beispiel-Fragebogen" zusenden, damit wir uns über die Prüfungsbedingungen ein Bild machen können.

Umweltschutz 

Da der Umweltschutz zweifellos zurecht in den kommenden Jahren zunehmend unser gesellschaftliches und berufliches Leben beeinflussen wird, stand für mich zu Beginn meines Praktikums der Meinungsaustausch mit Liegnitzer Kollegen*innen zu diesem Thema fest.

Der Amtsleiter Hr. Przemysław Rogowski erklärte mir die Themenschwerpunkte Luftreinhaltung, Lärmschutz, Umweltschutz, Abfallentsorgung und Erhaltung der Wasserqualität.

Zur Erreichung der Klimaziele wurde in den vergangenen Jahren eine Bestandsaufnahme erarbeitete und auf dieser Basis ein sogenannter "Stärken-Schwächen-Plan" erstellt. Dieser Masterplan dient als Grundlage für konkrete Handlungsvorschläge. So wird beispielsweise das Ziel verfolgt, die Luftqualität deutlich zu verbessern.

Die nachfolgenden Beispiele verdeutlichen die hiermit verbundenen Probleme: Im Gegensatz zu Wuppertal existieren in Liegnitz keine Umweltzonen, konkreter gesagt noch keine. So wurden entsprechende Testzonen eingerichtet, in deren Bereich das Befahren mit Lkw's ausgeschlossen wurde. Die Auswertung der Ergebnisse soll im Laufe des nächsten Jahres erfolgen. Hr. Rogowski würde sich eine zügige Umsetzung von Umweltzielen wünschen.

Leider spiele auch E-Mobilität bislang in Liegnitz keine Rolle. Zudem sei der ÖPNV noch nicht so umfangreich ausgebaut, um den Individualverkehr durch Busse und Bahnen ersetzen zu können. Erfolge habe die Stadt jedoch bei der Abkehr fossiler Brennstoffe in privaten Wohnungen erzielt. Die Stadt Liegnitz beschloss zur Verbesserung der Luftqualität ein kommunales Förderprojekt, in dem allen Hausbesitzer*innen eine Prämie für den Austausch von Kohleöfen durch Gasheizungen gezahlt wird. Die hohen Preisunterschiede zugunsten der deutlich günstigeren Steinkohle erschwerten jedoch das kommunale Vorhaben.

Rogowski erzählt mir am Ende des Austausches, dass er bereits die Müllverbrennungsanlage in Wuppertal besucht habe. Für ihn sei der fachliche Austausch mit Wuppertaler Kollegen*innen auch zukünftig wichtig und kündigt an, dass weitere Besuche nach der Pandemie in Wuppertal vorgesehen sind.

Digitalisierung

Ein Austausch mit Anna Komorek, Leiterin des Amtes für Digitalisierung fand am Ende der ersten Praktikumswoche statt. Sie präsentierte mir stolz den Stand der Digitalisierung und hob hervor, dass Liegnitz bis heute alle Investitionen (z.B. die Verlegung aller Leitungen im Stadtgebiet, die Vernetzung aller städtischen und staatlichen Institutionen wie Amtsgericht und Polizei mit der Verwaltung sowie die flächendeckende Installation von über 60 Kameras im Stadtgebiet zur Verkehrsüberwachung und -lenkung, aber auch für Präventionszwecke und zur Gefahrenabwehr im öffentlichen Raum) ausschließlich aus kommunalen Haus-haltsmitteln finanziert.

Die Digitalisierung umfasst aber weitaus mehr. Ähnlich wie das Projekt Smart-City in Wuppertal ist beabsichtigt- soweit es die gesetzlichen Rahmenbedingungen erlauben - alle öffentlichen und privaten Institutionen, Vereine und Organe zu vernetzen.

Die Digitalisierungsziele und -maßnahmen sind vergleichbar mit Wuppertal. Online-Termine für Bürgerinnen und Bürger sind Standard. Im Gegensatz zu Wuppertal kann man vor einem Behördenbesuch zusätzlich online einsehen, wie viele Bürger*innen sich bereits angemeldet haben und wie lange die voraussichtliche Wartezeit sein wird, wenn eine feste Terminvereinbarung nicht möglich ist. Ebenso kann der/die Bürger*in über eine App - eine Art "Online-Bürger-Info-Konto" einsehen, wie der "Bearbeitungs-Status" ist, noch Aufgaben zu erledigen sind, ein Schriftverkehr (wechselseitig) aussteht, Zahlungen (Steuerzahlungen, Bußgeldbescheide oder Gebühren) zu leisten sind, Bescheide ausstehen usw. usw.

Am Ende unseres Austausches hebt Anna Komorek hervor, dass dem Stadtpräsidenten Transparenz im Sinne des Open Government sehr wichtig sei. Die Entscheidungen der Kommune bzw. das Verwaltungshandeln müssen den Bürger*innen offen und nachvollziehbar dargelegt werden.

So entwickelte Liegnitz ein entsprechendes Programm, mit dessen Hilfe jede/r Liegnitzer Bürger*in

  • persönliche kommunale Gesamtverpflichtung (Steuern, Gebühren, Beiträge) einsehen kann

und wie die Mittel für kommunale Aufgaben verwendet werden: Zum Beispiel 15% für Infrastrukturinvestitionen (z.B. Straßenbau), 10% für Aufwendungen im sozialen (Kindergärten, Schulen, Altenheime) oder 8% für Aufwendungen im kulturellen Be-reich oder 3,2% für die Pflege und Erhaltung von Grünanlagen.
Letztlich kann jede/r Bürger*in ablesen, mit wie viel Zlotys er/sie an den jeweiligen Ausgaben (z.B.) für den kommunalen Straßenbau beteiligt ist.

Die genannten Prozentwerte sind in dem Beispiel fiktive Werte!

Der Wunsch des Stadtpräsidenten nach hoher Transparenz erkannte ich auch im Rathausgebäude. Ähnlich wie im Wuppertaler Standesamt stehen in vielen Büros und in vielen Gängen des Rathauses große Bildschirme mit entsprechenden Informationen zu konkreten Verwaltungsthemen.

v.l. Agnieszka Łakomska, Frank Ziran, rechts der stellvertretende Stadtpräsident Krzysztof Duszkiewicz

Verabschiedung

Da der erste Stadtpräsident Tadeusz Krzakowski in meiner 2. Praktikumswoche krankheitsbedingt ausfiel, verabschiedete mich der zweite Stadtpräsident Krzysztof Duszkiewicz bereits am Donnerstag und hob bei dieser Gelegenheit erneut die Bedeutung der Städtepartnerschaft mit Wuppertal hervor.

Er hoffe, dass zukünftig ein intensiver Austausch beider Verwaltungen möglich sei.

Nachdem die offizielle Verabschiedungsrunde hinter mir lag, verabschiedete ich mich von Artur Ankiewicz, dem Liegnitzer Original mit Gourmet-Erfahrung und blickte mit Wehmut auf die vergangenen zwei Wochen zurück, als mich die Nachricht erreichte, dass eine weitere Verabschiedung vorgesehen sei.

Nun verabschiedeten mich die stellvertretende Stadtpräsidentin Jadwiga Zienkiewicz, die mir gegenüber bereits bei der Begrüßung erklärte, dass für sie die Städtepartnerschaft ein ganz wesentlicher Baustein für das Zusammenwachsen der Generationen darstelle und der Sekretär Marek Bialowas. Wenige Minuten später ließ es sich dann noch einmal Krzysztof Duszkiewicz nicht nehmen, der Runde beizutreten.

Inzwischen hatte ich es aufgegeben, meine Funktion als Erasmus-Praktikant zu erläutern.

Von allen Seiten wurde an mich die Bitte herangetragen, die vielen Wuppertaler Kollegen*innen zu grüßen in der Hoffnung, dass viele der hier angedachten gemeinsamen Projekte Wirklichkeit werden.

Anmerkung der EUROPA-Förderung:

Dieser Bericht zeigt besonders deutlich die Botschafterrolle, die ein/e "EU-Praktikant*in einnimmt und er/sie sollte daher auf wesentliche kommunale Themen gut vorbereitet sein.

Erläuterungen und Hinweise

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