Björn Stieger in Wien
Dr. med. Björn Stieger, stellvertretender ärztlicher Leiter der Rettungsdienstakademie der Berufsfeuerwehr Wuppertal, absolvierte ein 2-wöchiges Praktikum im Juli 2024 bei der Berufsrettung Wien.
Einsatzorte
verschiedene Abteilungen der Berufsrettung Wien:
Fachreferat Aus -& Fortbildung | Fachreferat Qualitätssicherung |Zentrale Oberarzt-NEF |Bereichskoordination Einsatzdienst
Wissenswertes und Impulse
Zusammenarbeit von Feuerwehr, Polizei und Berufsrettung
Berufsrettung, Berufsfeuerwehr und Polizei sind in Wien als eigenständige Behörden aufgestellt.
Bei bestimmten Lagebildern arbeiten Berufsrettung, Berufsfeuerwehr und Polizei eng zusammen. So werden z.B. bei einem Herzkreislaufstillstand Kräfte des Rettungsdiensts, der Feuerwehr und der Polizei alarmiert sowie über eine App mobile Ersthelfer*innen.
Die Eintreffzeit eines in der Wiederbelebung Geschulten wird dadurch auf ca. 2 Minuten gesenkt.
Alle Feuerwehrleute und Polizist*innen der Stadt werden jährlich über die Rettungsakademie in der Herzlungenwiederbelebung geschult und kennen ihre Aufgabe genau. Das umfangreiche Personal am Einsatzort, verkürzt die Logistik und Zeit bis zum Abtransport der Patient*innen erheblich.
In den Fahrzeugen der Polizei und Feuerwehr wird jeweils ein Defibrillator mitgeführt. Im Falle eines Transports unter Herzdruckmassage, eskortiert die Polizei den Rettungswagen und ermöglicht so eine besonders schonende und risikoarme Fahrt für alle Beteiligten und Patient*innen.
Zentrale Oberarzt-NEF
Bei der Berufsrettung Wien gibt es einen eigenen Oberarzt-Dienst, welcher sich aus einem bei der Stadt Wien festangestellten Oberarztpool speist und 24h besetzt ist. Er fungiert sowohl als diensthabender Hintergrunddienst als auch im Einsatz-Dienst.
Das eigene Notarzteinsatzfahrzeug wird für bestimmte Indikationen zusätzlich alarmiert: vor allem bei Kindernotfällen, Gefahren- und Großschadenslagen oder außergewöhnlichen Einsätzen, bei denen besondere Erfahrung und Fähigkeiten (Herzkreislaufstillstand mit Transport unter Reanimation, Schwerst- und Mehrfachverletzte, Schuss- und Stichverletzungen am Kopf/Hals/Rumpf, Bluttransfusion v. Ort) gefragt sind.
Bereichskoordination Einsatzdienst
Die Berufsrettung Wien verfügt über eine eigene Leitstelle, welche den Rettungsdienst koordiniert und nicht an den Notruf der Feuerwehr angegliedert ist. Der Krankentransport der Stadt ist ebenfalls von der Notfallrettung entkoppelt.
Auch die Bereichsleitung des Rettungsdiensts arbeitet als eigene Behörde mit ausschließlich im Rettungsdienst ausgebildetem und tätigem Personal.
Jeder Oberarzt hat einen eigenen Verantwortungsbereich (z.B. Wissenschaft, Luftrettung, Leitstelle, Ausrüstung, Qualitätsmanagement). Somit werden alle Teilbereiche des Rettungsdienstes -ärztlich und nichtärztlich- durch Fachpersonal betreut und können effektiv gestaltet werden
Aus- und Fortbildung / Field Supervision
Die Wiener Kollegen haben vor Jahren ein strukturiertes, automatisiertes und digitales Qualitätsmanagement (QM) etabliert. Es evaluiert Schwächen und Abweichen von den durch die Leitung vorgegebenen SOP (Standard Operating Procedure = Standardvorgehensweise) im Realeinsatz, durch das Instrument des sogenannten „Field Supervisors“, der zu bestimmten Einsatzmeldungen automatisch, parallel zu den anderen Rettungsmitteln alarmiert wird. Im Einsatz erfasst er das Szenario und greift bei Abweichungen von einer SOP oder Problemen ein. Im unmittelbaren Anschluss an den Einsatz findet nach der Patientenübergabe ein Debriefing mit allen Beteiligten statt, in dem der Einsatz aufgearbeitet wird.
Besonders bemerkenswert ist, dass es so auch eine Qualitätssicherung der ärztlichen Perfomance in der Präklinik gibt, was in Deutschland so gut wie unmöglich ist und sich nur retrospektiv aus Studium der Einsatzprotokolle oder Nachbesprechungen speist. Somit ist auch hier eine praxisnahe kontinuierliche Fortbildung der Notärzte vorhanden
Querschnittsthemen
Digitalisierung / Nachhaltigkeit
Bei der Berufsrettung Wien gibt es das sog. „Field Safety Board“. Hierbei handelt es sich um ein digitales Instrument zur Fehlerdetektion und Qualitätssicherung:
· sicherheitsrelevante Mängel, Zwischenfälle oder Beinah-Zwischenfälle werden angezeigt,
· von dem QM-Verantwortlichen ausgewertet und korrigiert,
· Anpassung in der Ausbildung oder Standarbeitsanweisung vollzogen sowie
· verpflichtende Rückmeldung an den meldenden Mitarbeiter gegeben.
Das Field Safety Board ist jedem Mitarbeitenden 24h zugänglich, unabhängig von Qualifikation und hierarchischer Position.
Das Instrument ergänzt den „Fiels Supervision“ im Rahmen der Qualitätssicherung, da so unmittelbar Fehlerquellen detektiert und korrigiert werden können, die ansonsten Verantwortliche nicht immer erreichen und unbemerkt bleiben bzw. erst retrospektiv nach einem schweren Zwischenfall erkannt werden.
Perspektivisch ist ein solches System für den hiesigen Rettungsdienst nur wünschenswert, allerdings wird es ohne geschultes Personal, welches das System bedient und pflegt nicht umsetzbar sein.
Internationalisierung
Mit den Kollegen der Rettungsakademie habe ich einen weiteren Austausch zu verschiedenen Themen beschlossen. Dies schließt auch eine Einladung in die Rettungsdienstakademie der Berufsfeuerwehr nach Wuppertal ein. An mich erging die Einladung zum Österreichischen Kongress für Notfallmedizin am 18. und 19. November 2024 in Wien.
Fazit:
Das zweiwöchige Praktikum bei der Berufsrettung Wien ermöglichte mir einen profunden Einblick in die Aus-, Fort- und QM-Strukturen des Rettungsdiensts. Besonders beeindruckt hat mich die Effektivität und fachliche Qualität der rettungsdienstlichen Versorgung der Bevölkerung durch das mehrsäulige QM-System. Leider sind derartige Strukturen in unseren Landesrettungsdienstgesetzen nicht Gegenstand und werden somit von den Kostenträgern nicht getragen.
Ich nehme viele Ideen mit nach Wuppertal und hoffe auf die Umsetzung und Implementierung in Teilbereichen, die sich nach unseren Rahmenbedingungen gestalten lassen.